John Wyndham – Die Triffids

Der Frühling drängt sich mit gewohnter Macht und Pracht in unser Bewusstsein – eigentlich ein Grund, die gute alte Winterdepression zu den Akten zu legen und die Ärmel hochzukrempeln: Äcker, Gärten und Balkone rufen nach Bepflanzung!

Was aus Veilchen, Tulpen, Gurken, Hanf und Raps werden kann, wenn wir mal nicht aufpassen, oder – viel schlimmer – versuchen, ihrer natürlichen poetischen Bestimmung unsere prosaischen Geschäftsinteressen überzustülpen, zeigt der englische Autor John Wyndham in seinem stets aktuellen und bereits mehrfach verfilmten Klassiker DIE TRIFFIDS.

Ohne jede Vorwarnung, tatsächlich über Nacht, brechen plötzlich zwei verheerende Katastrophen über die Menschheit herein: akute Blindheit und eine mutierte Pflanzenart, die „Triffids“, bringen Verzweiflung, Tod und Verderben in die Städte und Dörfer. Nur einige Wenige, wie der Ich-Erzähler Bill Masen, haben das Glück, ihr Augenlicht zu behalten, und dazu das Wissen um die Hintergründe, die zur Entstehung der gefährlichen, wandernden Triffid-Pflanzen führten.

Schon nach wenigen Tagen beginnt die Fassade der Zivilisation zu zerbröckeln, und der blanke Egoismus bricht sich Bahn. Nicht viele Menschen sind dazu bereit, weiterhin für die Errungenschaften der Gesellschaft und ihre Kultur zu kämpfen. Viele Jahre später sind inmitten einer verwüsteten Kulturlandschaft nur noch einige spärliche Oasen der Menschen übrig geblieben, die sich verzweifelt gegen ihre pflanzlichen Feinde zur Wehr setzen. Trotz einiger Erfolge der Menschen bei ihrer Bekämpfung scheinen die Triffids die Oberhand zu gewinnen. Der Ausgang dieses Kampfes ist und bleibt unsicher.

In bester englischer Tradition schreibend, gelingt es John Wyndham (1903 – 1969), seinem 1951 erstmals erschienenen Roman DIE TRIFFIDS sowohl eine spannende Handlung als auch eine überzeugende Botschaft mitzugeben. Das Buch ist eine deutliche, wohl auf ewige Zeiten aktuelle War­nung vor dem Missbrauch der Wissenschaft. Die über die Menschen hereinbrechenden Katastrophen kommen nicht willkürlich von „außen“, es ist nicht einfach „die Natur“, die zurückschlägt, sondern sie sind „hausgemacht“.

Eine kraftvoll-stilistische Leichtigkeit und eine zugleich klare und konzentrierte Sprache sorgen dafür, dass dieses Buch von seiner Lesbarkeit bis heute nichts eingebüßt hat.

 Herrmann Ibendorf

www.temporamores.de

 

Für Datenhungrige:

John Wyndham

DIE TRIFFIDS. Utopischer Roman.

(The Day of the Triffids / 1951)

Übersetzung: Hubert Greifeneder

München, Süddeutscher Verlag, 1955, 314 S.

Aktuelle, überarbeitete Ausgabe:

DIE TRIFFIDS. Roman.

Mit einem Vorwort von M. John Harrison

Aus dem Englischen von Hubert Greifeneder und Inge Seelig

München, Heyne, 2012, 300 S.

ISBN 978-3-453-52875-8 / 8,99 Euro

Arno Schmidt – Die Gelehrtenrepublik

Schiffe – mit die frühesten von Menschen hergestellten Maschinen und seither Zeugen sowohl der ersten wie der größten Katastrophen der menschlichen Geschichte:

 

Von der Sintflut, die außer der Besatzung von Noahs ARCHE keine Überlebenden hinterließ,

 

bis zum Untergang der TITANIC am 15. April 1912 und der aktuellen Fast-Katastrophe der COSTA CONCORDIA vom 13. Januar 2012 begleiten sie – real und literarisch – die menschliche Gesellschaft auf ihrem Weg über das eigentlich Unzugängliche. Flüsse, Seen, Meere, der Äther und der Weltenraum – immer sind Schiffe unsere treuen Begleiter.

 

Auch in der phantastischen
Diesen Gedanken hat auch der deutsche Schriftsteller Arno Schmidt mehrfach aufgegriffen. Schmidt, geboren 1914, kurz vor dem Ersten Weltkrieg, diente als Soldat widerwillig im Zweiten, bevor er sich 1949 daran macht, mit seinen Werken die deutsche Gegenwartsliteratur zu „erobern“ – was sich als langwieriges und von vielen Rückschlägen begleitetes Unterfangen erwies. Wie kein zweiter deutscher Hochliterat der Nachkriegsgeneration gestattete er es der Phantastik, in sein Werk einzufließen. Gestützt von seinem unverbrüchlichen Glauben, lediglich in einer neuen „Zwischenkriegszeit“ zu leben und zu schrieben, sah er es als eine seiner Aufgaben an, seine Mitmenschen vor der unausweichlichen, alles zerstörenden Katastrophe eines Dritten Weltkriegs zu warnen. Zu diesem Zweck verfasste er vier post-apokalyptische Texte (SCHWARZE SPIEGEL, DIE GELEHRTENREPUBLIK, KAFF AUCH MARE CRISIUM und DIE SCHULE DER ATHEISTEN), die sich auf höchstem literarischen Niveau damit auseinandersetzen, wie die Überlebenden in den dann noch vorhandenen Zivilisationsresten zurechtkommen.Literatur gehören Schiffe (schon ganz früh bereits in ihrer Funktion als „Weltraum-Schiffe“) zum gängigen „Maschinenpark“. Ob als Mittel zur Fortbewegung oder der Rettung, als kurzfristiges Reisegefährt oder als Heimat über viele Generationen hinweg – ein Schiff taugt einfach immer.

DIE GELEHRTENREPUBLIK, Arno Schmidts „Kurzroman aus den Roßbreiten“ (entstanden 1957), spielt im Jahr 2008, nachdem ein Atomkrieg weite Teile der Welt unbewohnbar gemacht hat, und erzählt aus der Sicht des Journalisten Charles Henry Wiener von dessen Weg zur und seinen Erfahrungen auf der IRAS – der „International Republic for Artists and Scientists“ –, einem riesigen Schiff, dass die zukünftige politische Weltlage im Kleinen spiegelt.

Nach dem verheerenden Krieg hat sich die überlebende Menschheit, unter Führung von USA und Russland, darauf geeinigt, ein „neutrales“ Refugium für Kunst und Wissenschaften zu errichten, um weitere kriegsbedingte Verluste von Kunstwerken und Wissen zu vermeiden. Diese „Gelehrtenrepublik“, ein gigantisches, ovales Schiff von mehr als fünf Kilometern Länge, praktisch eine schwimmende Insel, kreuzt in den Roßbreiten und dient einer ausgewählten Schar von Künstlern und Wissenschaftlern als Heimat. Wiener wurde aus Gründen der Propaganda ausgewählt, die IRAS zu besuchen und darüber zu schreiben.

Wieners fast unglaubliche Abenteuer beginnen schon während der Anreise, die offensichtlich sabotiert werden soll. Nur durch Zufall und tätige Mithilfe von zu Zentauren mutierten Mischwesen überlebt er den Marsch durch den „Hominidenstreifen“, der die Reste der USA in zwei Hälften teilt. Glücklich auf dem Schiff angelangt, gerät Wiener fast zwangsläufig zwischen die Fronten, die sich dort zwischen der Steuerbord- und Backbordseite gebildet haben. Er soll als Vermittler fungieren, erhält dadurch Zugang zu den jeweiligen Schiffs-Hälften und erkennt schnell, dass hier nicht Kunst und Wissenschaft, sondern die Politiker und Geheimdienste das Sagen haben. Trotz seines aufopferungsvollen Einsatzes in diversen Betten auf beiden Seiten scheitert seine Mission.

Schmidts Schlussbild der immer schneller um die eigene Achse kreiselnden Insel – hervorgerufen durch gegenläufige Schraubenumdrehungen am Antrieb jeder Schiffshälfte –, ist sowohl eine Reminiszenz an Jules Verne (dessen PROPELLERINSEL von 1895 für viele Details Pate stand) wie ein resigniertes Eingeständnis seines Unglaubens an die „Erkenntnisfähigkeit“ oder den Willen zur Veränderung beim „Homo Politicus“.

 Herrmann Ibendorf

www.temporamores.de

 

Für Datenhungrige:

Arno Schmidt

DIE GELEHRTENREPUBLIK.

Kurzroman aus den Roßbreiten.

Erstausgabe: Karlsruhe, Stahlberg, 1957, 225 S.

Taschenbuchausgabe:

Frankfurt/M., Fischer Taschenbuchverlag, 2004, 208 S.

ISBN 978-3-596-29126-7 / 8,95 Euro