Unterwegs auf dem Boulevard der zerbrochenen Träume

Musikerbiografien sind doch langweilig.

Außer man kennt den oder die Musiker persönlich (was eher selten der Fall ist), oder man ist „Fan“ genug, dass man sich auch für den oder die Menschen „hinter“ der Musik interessiert (kommt viel häufiger vor), oder man wird mit der Nase drauf gestoßen, dass jeder Mensch einzigartig ist und – wenn sie „richtig“ erzählt wird – über eine spannende, ergreifende und ganz und gar nicht langweilige Geschichte verfügt.

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Als ich mich erstmals näher mit Manny Herrmann und seiner Musik zu beschäftigen begann, war er bereits tot. Der Hanauer Künstler Helmut Wenske hatte mir den Songschreiber und Sänger der Rockband THE TUMBLING DICE wärmstens ans Herz gelegt – und wie immer hatte er recht damit. Das schmale Werk, das Manny Herrmann in den paar Jahren geschaffen hatte, in denen er mit seinen Kumpels, auch als THE PACK, TEQUILA FLIGHT und MANNY AND THE COCKROACHES, die hessischen Bühnen unsicher machte, ist ungeheuer intensiv und beeindruckend. Der gute Manny hatte einfach etwas, das man mit keinem Geld der Welt kaufen kann: Charisma.

Um einen ersten Eindruck zu bekommen, kann man auf YouTube eine ganze Reihe von Videos anschauen – und auf der Seite von The Tumbling Dice gibt es die dazugehörigen CDs.

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Mit RED ROOSTER ist außerdem soeben ein von Wenske/Hyde mit Herzblut zusammengestellter Erinnerungsband erschienen, der alles über „Leben und Tod des Hanauer Rockmusikers Manny Herrmann und die Story von The Tumbling Dice“ erzählt, was man wissen muss, um eine Ahnung zu erhaschen, welches Talent sich da vor seiner Zeit in den Rockhimmel davongestohlen hat – vermutlich, um mit Jimmy und Brian ‘nen geilen Gig zu spielen.

Herrmann Ibendorf

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Bibliografisches:

Wenske/Hyde

RED ROOSTER.

Leben und Tod des Hanauer Rockmusikers Manny Herrmann und die Story von The Tumbling Dice.

Hanau, Verlag Robert Richter, 2016, 126 Seiten

ISBN 978-3-932442-15-5 / 19,80 Euro

 

 

Batman, Superman, Spiderman

Nachdem jetzt sogar Rod Stewart den 100. Geburtstag von Bob Kane (am 24. Oktober 2015) zum Anlass nimmt, einen Song über Superhelden auf sein neues Album ANOTHER COUNTRY zu schmuggeln, bleibt mir ja gar nichts anderes mehr übrig, als endlich auf das großartige Buch HEROES OF THE COMICS von Drew Friedman hinzuweisen – einmal ganz davon abgesehen, dass mein Tisch endlich wieder frei werden muss.

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Zwar ist HEROES OF THE COMICS bereits 2014 im amerikanischen Verlagshaus Fantagraphics Books erschienen, aber da es sich um ein absolut zeitloses Werk handelt, spielt das ja keine große Rolle. Wichtiger erscheint es mir, die Bedeutung und Klasse dieses einzigartigen Buches aufzuzeigen, das Nachschlagewerk und Bilderbuch in einem ist.

Drew Friedman ist in den USA zwar vor allem als Portrait-Künstler bekannt, seine Arbeiten als Comiczeichner wurden jedoch auch schon im MAD-Magazin veröffentlicht. Zudem ist er nicht nur ein Sammler alter Comics, sondern schon aus seiner Kindheit und Jugend vorbelastet – war sein Vater doch eine zeitlang Büro-Nachbar von Marvel-Legende Stan Lee, was wiederum Drews eigener Karriere später auch nicht wirklich im Wege stand.

Langer Rede kurzer Sinn: Drew Friedman bringt in HEROES OF THE COMICS sein Talent als Portraitist und seine Leidenschaft für die Geschichte des Comics zusammen und zeigt auf mehr als 80 farbigen Tafeln die Gesichter hinter den Werken. Dabei belässt er es jedoch nicht dabei, bekannte Zeichner oder Texter wie Carl Barks, Will Eisner, Jack Kirby oder Stan Lee vorzustellen, sondern er gräbt wirklich bis zu den Wurzeln: Verlegerpersönlichkeiten wie M. C. Gaines, Malcolm Wheeler-Nicholson oder Harry Chesler werden ebenso abgebildet wie die „Urväter“ der Superhelden-Comics Jerry Siegel, Joe Shuster, Bob Kane und Bill Finger. Daneben zeigt Friedman die wichtigsten „Studio“-Betreiber wie z. B. Jerry Iger und Herausgeber wie Sheldon Mayer, aber auch (zumindest bei uns) völlig unbekannte Künstler wie Matt Baker (den ersten Afroamerikaner im Comic-Business) oder Lily Renée (eine der ersten Profi-Zeichnerinnen des Golden Age).

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Friedmans Bilder nehmen jeweils eine rechte Seite im Buch ein und auf der gegenüberstehenden linken Seite stehen nicht nur die Namen und die biografischen Angaben zu den Abgebildeten, sondern es entwickelt sich eine detailreiche und mit vielen Anekdoten ausgeschmückte Comic-Historie, aufgrund derer man einen exzellenten Einblick gewinnt in die Entstehung eines der umsatzstärksten und trotz allem gering geschätzten Genres der Kunst- und Literaturgeschichte.

(Immer wieder tauchen dabei die Jahreszahl 1954 und der Name Frederic Wertham auf, eines Psychologen, dessen Buch SEDUCTION OF THE INNOCENT: THE INFLUENCE OF COMIC BOOKS ON TODAY´S YOUTH damals in einer hysterischen und verunsicherten Öffentlichkeit einen „durchschlagenden“ Erfolg hatte. Es führte zu einer Medienkampagne gegen Comics, zu Senatsanhörungen und letztlich zum Einbruch des Marktes, aus dem sich nur wenige Verlage und Comic-Serien „retten“ konnten – und auch das nur, indem man einer Selbstzensur-Behörde, der Comics Code Authority, gestattete, die Neuerscheinungen zu „autorisieren“. Da ist es nur gerecht, dass auf Tafel 83 – ganz am Ende von Friedmans Buch – auch Wertham gezeigt wird. Auch von solchen „Randerscheinungen“ möchte man sich ein Bild machen können.)

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HEROES OF THE COMICS ist als großformatiges Hardcover (über Din A 4) erschienen, fadengeheftet und überwiegend vierfarbig illustriert. Von MAD-Genius Al Jaffee stammt ein kurzes Vorwort und Drew Friedman hat in einer mit Bleistiftzeichnungen „getrüffelten“ Einleitung einiges zur Entstehung des Buches und zu seiner eigenen Beziehung zum Comic zu erzählen. Und auch wenn man Drew Friedman nicht gleich, wie Harlan Ellison auf dem hinteren Buchdeckel, mit Picasso vergleichen mag, so ist sein Portrait-Buch doch ein unvergänglicher Quell des Wissens und der Freude – schließlich ist es auch eine Verbeugung vor den oftmals ungenannten und/oder unbekannten Männern und Frauen, die eine neue Kunstform in die Welt brachten und sie damit ein wenig lustiger, bunter und spannender machten.

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Wer jetzt wissen will, wie Bob Kane, der Erfinder von BATMAN, denn nun aussah: Tafel Nummer 9 in Friedmans Buch aufschlagen!

Herrmann Ibendorf

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Bibliografisches:

Drew Friedman

HEROES OF THE COMICS.

Portraits of the Legends of Comic Books.

Introduction by Al Jaffee

Seattle, Fantagraphics Books, 2014, ca. 170 S.

ISBN 978-1-60699-731-4 / $ 34.99

 

Sammlerfreud und -leid

Sammeln ist genetisch bedingt, arterhaltend und sozialproduktsteigernd. Außerdem macht es Spaß und ist zumeist sozialverträglich – wenngleich genervte Mitbewohner, soweit sie nicht selbst sammeln, dies teilweise vehement bestreiten würden.

Über das Sammeln als Leidenschaft und Vermögenssicherung erfährt man hierzulande überwiegend nach einem neuen Rekord, den ein Kunstwerk auf einer Auktion erreicht hat. Das finanziell viel weiter unten angesiedelte „Normal-Sammeln“ erfährt dagegen kaum jemals eine Würdigung. Schon gar nicht, wenn es sich um sogenannten „Schund“ handelt – wie z. B. Comic-Hefte. Für die Jünger dieser vielbeschworenen „Neunten Kunst“ ist im Frühsommer 2015 mit DIE KUNST DES COMIC-SAMMELNS jedoch so eine Art „Heiliges Buch“ erschienen, in dem ihrem Treiben ausführlich gehuldigt wird.

 

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In dem von Alex Jakubowski (Text) und Sandra Mann (Fotos) zusammengestellten und parallel in der Edition Lammerhuber und bei Panini veröffentlichten großformatigen Band werden fünfzehn deutsche Comic-Sammler mit ihrem außergewöhnlichen Steckenpferd in Wort – und vor allem im Bild – vorgestellt.

Der TV-Journalist Jakubowski, selbst begeisterter Comic-Leser, wollte in DIE KUNST DES COMIC-SAMMELNS bewusst nicht die „größte“ oder „beste“ Sammlung (be-)suchen (die hat ja sowieso Wimbledon Green), sondern ein möglichst breites Spektrum vorführen. Dies ist ihm mit der Auswahl der Sammler vorzüglich gelungen. Egal ob „einfacher“ Sammler, Manga-Cosplay-Aktivistin, Comic-Journalist, Buchhändler, Verlagsmitarbeiter oder Multimillionär – fast jeder hat ein anderes Spezialgebiet, sammelt aus jeweils anderen Gründen (obwohl in den erstaunlich offenen Gesprächsprotokollen auch viele Gemeinsamkeiten auftauchen), hat andere familiäre Rücksichten zu nehmen, oder – was besonders beim Fürsten von Sayn-Wittgenstein hervortritt – andere finanzielle Möglichkeiten.

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In diesem intelligent (und auch handwerklich herausragend gut) gemachten Buch erfährt man sehr viel über das Sammeln (nicht nur von Comics), und die mehr als einhundert Bilder von Sandra Mann geben einen gelungenen Einblick in die immer wieder überraschende Ästhetik einer über viele Jahre hinweg zusammengetragenen und gepflegten Sammlung.

(Auf der Homepage des Verlags kann man neben zwei Video-Einspielern auch 15 je einminütige Interview-Ausschnitte mit allen Beteiligten anhören.)

 

Herrmann Ibendorf

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Bibliografisches:

Alex Jakubowski (Text) und Sandra Mann (Fotos)

Die Kunst des Comicsammelns.

Baden (Austria), Edition Lammerhuber/Panini, 2015, 280 Seiten

ISBN 978-3-901753-80-0

ISBN 978-3-95798-447-0

 

Mir dämmert da was

Der Niedergang der Bildung, der Ausverkauf der Buchkultur, das Sterben der klassischen Buchhandlungen, der Verfall des Urheberrechts – ja manchmal sogar der „Untergang des Abendlandes“ – werden gerne beschworen, wenn von den rasanten Äderungen die Rede ist, denen „das Buch“ derzeit unterworfen scheint.

 

Da tut es gut, wenn jemand sich einmal die Zeit nimmt und innehält, um sich „das Buch“ und die Gegebenheiten rund um dieses beinahe mystische „Ding“ aus allen Richtungen anzusehen. So geschehen in dem von Detlef Bluhm zusammengestellten Band BÜCHERDÄMMERUNG.

 

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Bluhm, selbst im Vorstand des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels tätig, hat gemeinsam mit acht weiteren „Buch-Experten“ in einem Dutzend kurzer Übersichtsartikel Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von Buchherstellung, -vertrieb und –rezeption unter die Lupe genommen und so aufbereitet, dass Leser, Autoren, Händler, Kritiker und alle anderen, die sich beruflich oder aus reiner Liebhaberei mit „dem Buch“ auseinandersetzen (müssen), gleichermaßen informiert wie unterhalten werden.

Betrachtet werden in BÜCHERDÄMMERUNG unter anderem die historischen Wurzeln und die mehr als fünfhundertjährige Geschichte des Buchdrucks, die Entwicklung des Urheberrechts aus dem Wunsch heraus, als Autor von seinen Einfällen leben zu können, die Dienstleistungen, die ein Verlag mit all seinen Mitarbeitern und Abteilungen erbringt, bis der Leser das Objekt seiner Begierde in Händen halten kann, die Rolle, die Vertrieb und Buchhandel in dieser „Verwertungskette“ einnehmen – und wie sich all dies verändert durch die Digitalisierung und die „Entstofflichung“ dessen, was bisher „das Buch“ war.

Einblicke gibt es in die bereits vorhandenen oder gerade eben am Zukunftshorizont auftauchenden neuen Medien wie Internet und E-Book-Reader, DRM und E-Pub sowie die Möglichkeiten und Gefahren, die eine ständig expandierende Soft- und Hardware bieten – und zwar nicht nur für die „klassischen“ Protagonisten, sondern auch für neue „Mitspieler“ wie Statistiker, Hacker, Geheimdienste und was sich im Zusammenhang mit nicht-analogen, nicht-stofflichen, nicht-beherrschbaren „Daten“ noch so alles vorstellen lässt.

Es gehört nicht zu den kleinsten Verdiensten, die sich Bluhm mit diesem schmalen aber inhaltsreichen Werk erworben hat, dass die Beiträge allesamt ausgewogen und unaufgeregt geschrieben sind, dass sie erstklassig recherchiert wirken und ihr Inhalt auf eine Weise vermittelt wird, die man nur gelungen nennen kann. Auch das (Gedanken-)Spielerische kommt nicht zu kurz, gestattet sich Bluhm doch in seinem Beitrag „Der Buchhandel und seine Kunden“ einen kurzen Ausflug und besucht in der Fantasie „(s)eine Buchhandlung im Jahr 2020“.

Bücher haben bisher in unser aller Leben eine gar nicht hoch genug zu schätzende Stellung eingenommen. Diese Stellung verändert sich gerade eben in einer niemals vorhergesehenen und heute noch nicht abzuschätzenden Weise. Bluhm hat mit dem Begriff der BÜCHERDÄMMERUNG eine sehr gut passende Metapher dafür gefunden – steht es doch noch gar nicht fest, ob es sich um eine Abend- oder sogar um eine neue Morgendämmerung handelt.

 

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Herrmann Ibendorf

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Bibliografisches:

Detlef Bluhm (Herausgeber)

Bücherdämmerung – Über die Zukunft der Buchkultur.

Mit Beiträgen von Detlef Bluhm, Dietmar Dath, Jan Hegemann,

Thomas Macho, Volker Oppmann, Elisabeth Ruge, Stephan Selle,

Klaus Sielker und Katja Spichal

Darmstadt, Lambert Schneider (WBG), 2014, 160 Seiten

ISBN 978-3-650-40003-1 (Buch)

ISBN 978-3-650-73798-4 (eBook – PDF)

ISBN 978-3-650-73799-1 (eBook – epub)

 

Sie haben viel mehr Leser verdient

Ja, das haben sie, die 125 Briefe, die Herausgeber Shaun Usher in dem großformatigen Prachtband LETTERS OF NOTE – BRIEFE, DIE DIE WELT BEDEUTEN zusammengetragen hat, was der englische Untertitel „Correspondence Deserving of a Wider Audience” auch etwas deutlicher vermittelt.

 

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In Zeiten, da selbst eine E-mail für einen Großteil der nachwachsenden Generation schon zu den überholten Kommunikationsformen gehört, in denen pseudo-stenographische Kürzel in Echtzeit über soziale Medien ausgetauscht werden und selbst der oder die Aufmerksamste nach gefühlten fünfzig Nachrichten in sechzig Sekunden nur noch summarisch Auskunft über die Tendenz des in den letzten Stunden Übermittelten geben kann –, in solchen Zeiten und unter solchen Umständen kann man ein Buch wie LETTERS OF NOTE gar nicht genug loben und lieben.

Dabei ist es noch nicht einmal so, dass Usher hier nur schöne, lange und handgeschriebene Liebesbriefe aneinanderreiht. Nein, es sind auch Telegramme, Postkarten, in Stein gemeißelte oder in Kokosnussschalen geritzte Kurznachrichten enthalten, maschinengeschriebene Typoskripte, vorgedruckte Ablehnungsbescheide und mit schneller Feder Hingeworfenes.

Kurz gesagt: Gezeigt wird die ganze, leider fast schon nur noch historische, Vielfalt, die jahrtausendelang dem Briefeschreiben eigen war.

Die Inhalte sind dabei ebenso sorgfältig ausgewählt wie die Absender und Adressaten, sodass ein bunter Reigen der interessantesten Menschen und Themen auf diesen 400 Seiten auftaucht. Die gelungene Präsentation in Form von auf den linken Seiten abgedruckten Umschriften der einzelnen Briefe (begleitet von kurzen editorischen Hinweisen), die von den Faksimiles der Originale oder von Bildern der Autoren gekontert werden, ist ebenso vorbildlich wie die äußere Gestaltung des Bandes (rotes Ganzleinen, Fadenheftung, Lesebändchen).

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Unter all den großen Namen (von Kurt Vonnegut bis Philip K. Dick, von Emily Dickinson bis Virginia Woolf, von Groucho Marx bis Woody Allen, von Mick Jagger bis Abraham Lincoln) findet wohl jeder Leser, jede Leserin seinen/ihren Liebling – doch sind es oftmals gerade die Schreiben völlig unbekannter Menschen, die den größeren Eindruck nach der Lektüre hinterlassen.

Wie zum Beispiel der Eil-Brief eines australischen Schuljungen, der 1957, kurz nach dem Start der sowjetischen SPUTNIK 1, den Raumfahrtingenieuren seines Heimatlandes die „Konstruktionszeichnung“ eines australischen Raumschiffes zusandte – wofür sich die Air Vehicles Division in Brisbane dann 2009 endlich bedankte.

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Wie zum Beispiel der anonyme Drohbrief an Martin Luther King, oder die niemals abgeschickten Bittbriefe einer Psychiatriepatientin, in denen sie ihren abwesenden Ehemann unaufhörlich anfleht „Komm, komm, komm …“.

Nochmals JA! – Sie haben tatsächlich ein größeres Publikum verdient, diese „bemerkenswerten Briefe“, die einen Einblick gewähren in das Leben – und oftmals auch das Sterben – bekannter und unbekannter Personen, die uns nach dem Lesen ihrer Niederschriften manchmal „näher“ zu stehen scheinen, als die meisten unserer unzähligen „digitalen“ Freunde – und die garantiert länger im Gedächtnis bleiben als jede elektronische Kurznachricht.

 Herrmann Ibendorf

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Bibliografisches:

Shaun Usher (Herausgeber)

Letters of Note – Briefe, die die Welt bedeuten.

Diverse Übersetzer

Illustriert mit vielen farbigen und schwarzweißen Abbildungen

(OT: Letters of Note. Correspondence Deserving of a Wider Audience / 2013)

München, Heyne, 2014, 408 Seiten

Großformat, Leinen mit Schutzumschlag und Bauchbinde, Fadenheftung, Lesebändchen.

ISBN 978-3-453-26955-2

 

Then the bird said, `Nevermore.‘

 

„Jeder kennt sie, kaum einer mag sie. […] Sie scheinen überall schon dagewesen zu sein, wo man gerade hinkommt. Ob morgens im Dunkeln am Nordkap, mittags in einem Wald in Neu-Kaledonien oder an einem gottverlassenen Ort in der öden Weite Alaskas: Irgendwann tauchen Krähen auf und tun bestimmt nicht so, als sei ihnen die Gegend genauso fremd wie den Menschen, die diese Winkel zum ersten Mal betreten. […] Man könnte auch sagen: Die Kulturgeschichte der Menschen vollzieht sich unter der Beobachtung der Krähen.“ (S. 7/8)

 

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Ein Sachbuch über Krähen – aber ein sehr ungewöhnliches Sachbuch. Hinterher ist man klüger und weiß vermutlich so gut wie alles, was es über Krähen zu wissen gibt, aber mittendrin im Buch, während man sich von Kapiteln über das Sozialverhalten der Vögel („Die Krähen vom Kreuzberg“) und ihrer Bewunderer („Konrad, die Krähe“) zum Vorkommen in artifiziellen Medien („Hitchcock und die bösen Krähen“) vorarbeitet – da mittendrin denkt man gar nicht daran, dass KRÄHEN ein Sachbuch sein könnte. Viel zu persönlich, unterhaltsam und – ja – mitreißend ist der Text von Cord Riechelmann geschrieben. So gar nicht, was man hierzulande unter „Wissenschaft“ versteht. Dafür sehr viel von der englischsprachigen Tradition der gut lesbaren Wissensvermittlung geprägt.

 

Ein außergewöhnliches Buch, zudem ungewöhnlich schön aufgemacht (Dank an Frau Schalansky), mit vielen tollen Abbildungen und einer Literaturliste, die neben ornithologischen Fachwerken auch Prosatexte enthält. Denn den Rabenvögeln entgehen wir – Nimmermehr!

 

 

Herrmann Ibendorf

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Bibliografisches:

 

Cord Riechelmann

KRÄHEN. Ein Portrait.

Berlin, Matthes & Seitz, 2013, 156 S.

Reihe Naturkunden, No. 1; hrsg. v. Judith Schalansky

ISBN 978-3-88221-048-4

 

Lesen wie im Paradies

Die Erschaffung eines Universums ist Schwerstarbeit. Jehova nahm danach eine Auszeit, Vishnu gönnte sich ein Mittagsschläfchen. Science-Fiction-Universen sind nur winzige Wort-Welten, aber selbst dafür braucht es einiges Nachdenken; und bevor sie sich für jede Geschichte ein neues Universum ausdenken, bevorzugen es einige Autorinnen, ein bereits vorhandenes Universum weiter zu verwenden, manchmal solange, bis es sich ganz weich anfühlt und ein wenig wie an den Rändern ausfranst und es passt wie ein altes T-Shirt.“

 .                                                                                               Ursula K. Le Guin – „Vorwort“; in: VERLORENE PARADIESE (S. 7)

 

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Nachdem es sich die großen deutschen Verlage seit einigen Jahren erlauben, eine Autorin wie Ursula K. Le Guin „links liegen“ zu lassen, ist es dem kleinen, aber rührigen Atlantis Verlag gar nicht hoch genug anzurechnen, dass er sich der großen alten Dame der amerikanischen Science Fiction angenommen hat und ihren weltweit gefeierten Kurzroman PARADISES LOST (2002) soeben unter dem Titel VERLORENE PARADIESE zeitgleich in zwei Einbandvarianten als Buch und zudem als e-book veröffentlicht.

Der Roman behandelt die Erlebnisse der Besatzung eines Generationenraumschiffs, das bereits seit mehr als einhundert Jahren von der Erde aus unterwegs ist, um einen erdähnlichen Planeten zu erforschen und auf eine mögliche Besiedlung hin zu überprüfen. Allerdings entwickelt sich weder das Zusammenleben an Bord der Discovery so wie geplant, noch verläuft die Reise durch den Weltraum nach den ursprünglichen Vorgaben. Als der Zielplanet dann erreicht wird, müssen sich die Menschen im Schiff entscheiden, ob sie ihren Auftrag erfüllen wollen, oder ob sie einem religiösen Führer auf seinem Weg zum „ewigen Leben“ folgen wollen …

Ursula K. Le Guin erzählt diese Geschichte in einem wunderschönen, unaufgeregten Stil, der in gewohnt konzentrierter Form alles Wesentliche enthält und dabei die zwei Hauptprotagonisten in einer Tiefe und Lebendigkeit präsentiert, dass man schon nach wenigen Seiten in Hsing und Luis verliebt ist und ihren Lebensweg begleitet, wie den von Freunden oder Familienmitgliedern. Dabei ist die Oberflächenhandlung mit einem vielschichtigen Geflecht aus literarischen und philosophischen Anspielungen, sozio-psychologischen Betrachtungen und religionskritischen Erwägungen unterfüttert – der Mikrokosmos im Inneren der Discovery als Spiegel der Ereignisse in der (unserer) Außen-Welt.

VERLORENE PARADIESE gehört nicht in den Bezugsrahmen der „Hainish“-Geschichten, sondern steht singulär im Gesamtwerk der Schriftstellerin. Als utopisches Spätwerk ist es das Ergebnis einer lebenslangen Suche nach der „Besten aller Welten“ – und nach einer Zukunft in der Autorin und Leser gleichermaßen gerne leben wollen.

Der Text wurde von Horst Illmer ins Deutsche übertragen, ein Vorwort der Autorin und ein Nachwort des Übersetzers bilden den adäquaten Rahmen, das umlaufende Einbandmotiv stammt von der Würzburger Künstlerin Maran Alsdorf. Neben der im Buchhandel erhältlichen „Normal“-Ausgabe mit kartoniertem Einband gibt es direkt beim Verlag auch noch eine fest eingebundene (und trotzdem preiswerte) Sammler-Ausgabe in der EDITION ATLANTIS.

 

Herrmann Ibendorf

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Sachdienliche Hinweise:

Ursula K. Le Guin

VERLORENE PARADIESE.

Übersetzt von Horst Illmer

(Paradises Lost / 2002)

Stolberg, Atlantis Verlag, 2014, 150 S.

ISBN 978-3-86402-161-9 / 10,90 Euro (Softcover)

ISBN 978-3-86402-169-5 / 13,90 Euro (Hardcover)

 

 

 

Der lachende Mann

Die Aufgabe, die mir im vergangenen Jahr das größte Vergnügen bereitete, war eindeutig, die Durchführung der Korrekturarbeiten an DER LACHENDE MANN, einem Roman von Victor Hugo.

Der in Paris 1869 unter dem Titel L’homme qui rit erstmals erschienene Text, wurde noch im gleichen Jahr von Georg Büchmann ins Deutsche übertragen, erlebte danach noch einige Neuübersetzungen und 1928 sogar eine Verfilmung als DER MANN, DER LACHT (mit Conrad Veidt in der Hauptrolle), ist inzwischen jedoch völlig aus dem kulturellen Bewusstsein (zumindest hierzulande) verschwunden.

Victor Hugos Roman spielt gegen Ende des 17. Jahrhunderts in England und behandelt kritisch die sozialen Interaktionen zwischen Volk und Adel. Festgemacht ist der Plot am Schicksal zweier Kinder, eines entführten und verunstalteten Jungen und eines blinden Waisenmädchens, die von einem umherziehenden Quacksalber vor dem Erfrieren gerettet und aufgezogen werden. Der Junge, dessen Gesicht durch brutale chirurgische Eingriffe ein ewiges Grinsen trägt, wird später als Spross einer Adelsfamilie erkannt, was zu einer Reihe tragischer Verwicklungen führt …

Herausgegeben von Andreas Fliedner und mit einem sehr emotionalen Vorwort von Tobias O. Meißner versehen erscheint DER LACHENDE MANN jetzt im Berliner Golkonda Verlag in einer vierbändigen Neuausgabe, die wort- und zeichengetreu der deutschen Erstausgabe folgt. Diesen Text nun durfte ich Korrekturlesen – und entdeckte dabei eine derart fesselnde, spannende und mitreißende Geschichte, dass ich während der ersten Lektüre ständig durch ein Wechselbad der Gefühle ging: das reichte vom kalten Schauer über Gänsehaut und unwilligem Stirnrunzeln bis hin zu grimmigem Knurren und lautem Lachen, amüsiertem Schmunzeln und überraschtem nach-Luft-schnappen.

Grund für diese seit langem nicht mehr empfundene Anteilnahme beim Lesen war (neben der ungeheuer guten Geschichte, die Victor Hugo da erzählte) eindeutig die Sprachkraft Büchmanns. So ein Deutsch kann heute überhaupt keiner mehr!

Die Sätze stehen da wie in Stein gemeißelt, brechen mit nahezu biblischer Wucht über den Lesenden herein und verleiten dazu, ganze Passagen zitieren zu wollen. Dieser Effekt verdankt sich wohl vor allem dem Umstand, dass Georg Büchmann nicht nur Lehrer und Philologe war, sondern auch als Verfasser des unverzichtbaren Nachschlagewerkes GEFLÜGELTE WORTE – DER ZITATENSCHATZ DES DEUTSCHEN VOLKES (1864) in die Literaturgeschichte einging.

So und nun natürlich noch ein kleines Beispiel:

„Seine Hauptaufgabe war, das menschliche Geschlecht zu hassen. In diesem Haß war er unversöhnlich. Nachdem er sich überzeugt hatte, daß das menschliche Leben etwas Schreckliches ist, nachdem er die Uebereinanderschichtungen der Plagen, der Könige über dem Volk, des Kriegs über den Königen, der Pest über dem Kriege, der Hungersnoth über der Pest, der Dummheit über Allem beobachtet hatte, nachdem es für ihn ausgemacht war, daß in der bloßen Thatsache der Existenz ein gewisses Quantum Züchtigung liegt, nachdem er erkannt hatte, daß der Tod eine Erlösung ist, machte er den Kranken gesund, den man zu ihm führte.“ (S. 39/40)

 

Horst Illmer

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Sachdienliche Hinweise:

Victor Hugo

DER LACHENDE MANN.

Übersetzt von Georg Büchmann

(L’homme qui rit / 1869)

Berlin, Golkonda Verlag, 2013, 207 S.

ISBN 978-3-944720-02-9 / 16,90 Euro

 

SUPERMOERS = reif fürs Museum

Wer kennt sie nicht, die populärmythologischen Erfindungen des Ausnahmekünstlers Walter Moers, die seit den frühen 1980er Jahren die Unterhaltungskultur in Deutschland bereichern? Oder, kürzer: Kleines Arschloch, Alter Sack, Käpt’n Blaubär, Hein Blöd, Adolf und Jesus – weder im Kino noch im Fernsehen, weder in den Buchhandlungen oder in den Gemeindebibliotheken kann man ihnen entkommen.

 

Und jetzt auch noch im Museum!

 

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Unter dem anspielungsreichen Titel „Die 7 ½ Leben des Walter Moers: Vom Kleinen Arschloch über Käpt’n Blaubär bis Zamonien“ können sich kundige Fans und unkundige Demnächst-auch-Fans vom 17. März bis 15. September 2013 in Bad Mergentheim eine Ausstellung ansehen, die es in sich hat. (Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 10:30 bis 17:00 Uhr. Über das umfangreiche Begleitprogramm informiert ein gut gemachter Flyer bzw. die Internetseite der Stadt.)

Gleich an zwei Standorten – im Deutschordensmuseum und im Kulturforum präsentieren die Ausstellungsmacher eine detailverliebte Sammlung von Originalseiten, Manuskripten, Entwürfen, Büchern, Puppen, Skulpturen, Displays, Videoinstallationen, Merchandise-Artikeln – und Bildern, Bildern, Bildern! Nachdem Moers als Comiczeichner und Karikaturist begonnen hat, ist diese optische Opulenz zwar nicht ganz so überraschend, doch wie großartig seine Illustrationen sind, die er in den letzten Jahren für dieZamonien“-Romane gefertigt hat, kommt erst in der vom Buch losgelösten Sicht der einzeln gehängten Tuschezeichnungen voll zur Geltung.

Sehr schön kann man beim Rundgang durch die zwei Standorte die künstlerische Weiterentwicklung erkennen, die der Autodidakt Moers seit den ersten Veröffentlichungen in Satiremagazinen und Studentenzeitungen gemacht hat. Bilder wie zum Beispiel der (bisher noch nirgends gezeigte oder abgedruckte) „Bücherdrache“ lassen den Betrachter in ehrfürchtigem Staunen an die großen Meister der Renaissance denken. (Zur Vertiefung dieser Eindrücke empfiehlt es sich, den schön gemachten, großformatigen Ausstellungskatalog im Museumsshop mitzunehmen.)

Welchen Einfluss Walter Moers inzwischen auf eine ganze Generation nachgewachsener Künstler hat, belegen die geschickt eingestreuten Arbeiten junger deutscher Maler und Bildhauer. Hier ist vor allem das mit ungeheurer Liebe zum Detail gestaltete „Buchhaim“-Modell von Susanne Reichardt zu erwähnen, mit dessen Betrachtung allein man sich einen ganzen Nachmittag beschäftigen könnte.

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Wer also Zeit und Möglichkeit findet, einmal für ein paar Stunden nach Bad Mergentheim zu kommen, der sollte dies unbedingt tun. Schließlich sind solche aufwändig präsentierten Ausstellungen zu populären Gegenwartskünstlern immer noch Mangelware – und den von Walter Moers gezeichneten exklusiven SUPERMOERS-Comic erhält man ausschließlich beim Erwerb einer Eintrittskarte.

Moers in BadMergentheim-Supermoers

 

 

Herrmann Ibendorf

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Für Datenhungrige:

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Der Ausstellungskatalog, herausgegeben von

 Christine Vogt

 Die 7 ½ Leben des Walter Moers.

 Vom Kleinen Arschloch über Käpt’n Blaubär bis Zamonien.

 Bielefeld, Leipzig, Berlin; Kerber Verlag, 2011, 168 S.

 ISBN 978-3-86678-593-9

 

 

 

 

 

Neues aus Absurdistan – 2013-02-23

 

TEMPORAMORES, das Fachblatt für „Neues aus der Zukunft“, bringt am Ende seines stetig, aber regelmäßig unregelmäßig erscheinenden Newsletters seit mehr als zehn Jahren jeweils ein lustiges, interessantes, informatives oder nachdenklich stimmendes Zitat, zumeist aus den Texten von Schriftstellern oder Journalisten, manchmal auch aus Leserbriefen oder Filmen.

Bisher war es für den Kompilator des Newsletters eine Selbstverständlichkeit, nicht nur die Fakten über die vorgestellten Bücher so exakt wie möglich zu recherchieren und wiederzugeben, sondern auch die zitierten Stellen buchstaben- und zeichengetreu abzubilden.

Aber alle „Selbstverständlichkeit“ ist zutiefst erschüttert!

Nachdem uns im Laufe der vergangenen Woche das neueste Werk von Marc-Uwe Kling erreicht hat – ein von ihm „präsentierter“ Abreißkalender mit dem Titel DER FALSCHE KALENDER. 365 FALSCH ZUGEORDNETE ZITATE (Verlag Voland & Quist, ISBN 978-3-86391-018-1, 368 Blätter) – stellt sich die Frage nach dem Zitat, dem Zitieren und der Verlässlichkeit des Universums plötzlich ganz neu.

 

 

Erstaunlicherweise gibt es nämlich ganz offensichtlich ein Copyright auf Zitate (siehe das Impressums-Blatt des vorgenannten Werkes). Unklar bleibt allerdings, ob dies jetzt für jedes Zitat gilt, oder nur für „falsche“, d. h. „erfundene“ Zitate. Und wer hat eigentlich dieses Copyright? Der Zitierte? Der Zitierende? Der „Erfinder“? Der Originalverlag, bei dem der zitierte Originaltext erschienen ist? Der Verlag, der das Zitat abdruckt?

Doch mit solcherlei, für altgediente Juristen vermutlich noch ganz leicht erklärbaren Dingen ist nur die Spitze des Eisbergs beschrieben.

Wie sieht es z. B. damit aus, wenn ich als GermanistIn in fünf Jahren (oder in fünfzig) eine Doktorarbeit über „Das Aufkommen falscher Zitate in der bundesrepublikanischen Komik-Kunst zu Beginn des dritten Jahrtausends“ schreiben will? Sind die richtig zitierten „falschen“ Zitate dann „richtige“ Zitate? Wer prüft dann, bitteschön, ob ich die richtigen falschen Zitate richtig oder falsch zitiere, ob die ursprünglich falschen Zitate wirklich „falsch“ waren (wie peinlich ist das denn, wenn sich dann rausstellt, dass Guido Westerwelle das ihm zugeschriebene „You talkin‘ to me?“ ((17. August)) tatsächlich so und in dem unterstellten Zusammenhang gesagt hat!) – und hat eine solche falsche Zuschreibung eines richtigen Zitates als falsches dann wiederum Auswirkungen auf die oben gestellte Copyrightfrage?

Kann man mir – um die Sache noch etwas weiter zu treiben – Jahre später den Doktortitel wieder aberkennen, wenn sich herausstellt, dass ich die falschen Zitate zwar richtig zitiert habe, sie aber dem falschen Autor falscher Zitate zugeordnet habe? Werden aus solchen doppelt-falschen Zitaten damit dann richtige Zitate?

Ist es bis hierher schon unübersichtlich genug geworden, so schließen sich nun noch eine weitere existenzielle Frage an: Was ist eigentlich „falsch“ an einem „falsch zugeordneten Zitat“? Das Zitat oder der darunter stehende Name?

Bevor unsere Kolumne noch am Problem-Eisberg des richtigen und falschen Zitierens zerschellt wie die Karrieren diverser Politiker schließen wir mit einem der bekanntesten Zitate – entweder der Geistes- oder der Filmgeschichte, das bleibt dem Leser freigestellt –:

„ES GIBT KEIN

RICHTIGES

LEBEN IM

FALSCHEN“

DER TYP AUS ›MATRIX‹

(M.-U. Kling, „Der falsche Kalender“; Samstag / 28. Oktober)

Herrmann Ibendorf

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