Chipkarte für Bildung

Zunächst habe ich mich dabei ertappt die Idee der Ministerin für Arbeit und Soziales für folgerichtig und pragmatisch zu halten. Sie ist es aber nicht.
Zur Erinnerung – Frau von der Leyen schlägt vor, Kindern, nicht nur aus Hartz IV Familien (vernichtender Begriff übrigens) eine Chipkarte zukommen zu lassen, mit der sie bis zu einem noch festzulegenden Betrag, in der Diskussion gerade 200 Euro, für ihre zusätzliche Bildung zahlen können. Nach der Idee sollen hier neben reinen Bildungsangeboten auch Vereinsmitgliedschaften, Kantinenessen, Lernmaterialien u. ä. bezahlt werden können.

Gründe warum aus der Idee nichts wird:

  • Die Einführung einer Chipkarte für alle Kinder ist ein gewaltiger Verwaltungsaufwand, der alleine mehr Geld verschlingen wird, als im Budget der Ministerin bereit gestellt werden kann.
  • Der Aufwand bei der Berechtigungsprüfung ist ebenfalls enorm. Welche Dienste dürfen mit der Karte bezahlt werden? Schreibwarenläden? Buchhandlungen? Elektronikfachhandel? Wenn man hier im Ministerium an ein Zertifizierungssystem denkt, wie es die Arbeitsagentur fordert, wird man furiosen Schiffbruch erleiden. Man wird feststellen müssen, dass dann niemand an dem schönen neuen System teilhaben möchte.
  • Kinder sind geschäftsunfähig oder beschränkt geschäftsfähig. In der Praxis heißt das, die Eltern bestimmen wofür die Karte genutzt wird. Was hindert den Vater aus einer weniger wohlhabenden Familie (Vorurteil! Der wohlhabende Vater ist sicher auch nicht gefeit) das Budget in seinem Sinne etwa für Elektronik oder einen schicken Füllfederhalter zu verwenden?

Gründe warum die Idee unsozial und konservativ ist:

  • Wie soll eine Mutter aus zum Beispiel einer russischstämmigen Familie, die selbst noch mit der Integration und der deutschen Sprache ringt, den Verwaltungsapparat hinter der Karte verstehen. Ich zweifle sehr daran, dass sie die positive Wirkung für ihre Kinder ausschöpfen kann. In vielen Fällen wird die Chipkarte hier ungenutzt bleiben. Die Kluft in der Gesellschaft weitet sich.
  • Letztlich profitiert die Klientel der Union, die Besserverdiener. Diese könne die Ausbildung ihrer Kinder mehr vom Staat finanzieren lassen und sichern somit die Erblichkeit von Wohlstand. Der Aufstieg in der Gesellschaft wird für weniger Wohlhabende und weniger generativ denkende erschwert.
  • Das unweigerliche Zulassungs- oder Zertifizierungssystem wird dazu führen, dass vor allem etablierte Bildungsträger wie Gewerkschaften, Kammern, kirchliche Träger u. ä. zugelassen werden. Ein Einmann/frau-nachhilfeinstitut ist mit dieser Art von Bürokratie überfordert. Damit werden alle Innovationen abgetötet und das dauerhafte Überleben einer verkrusteten Bildungslandschaft auch in der nächsten Generation gewährleistet.


Der Vorteil der Diskussion:

Wer sehenden Auges ist wird erkennen, dass unser Bildungssystem noch in zu vielen Bereichen unsozial und rückschrittlich ist. Die Utopie muss sein, dass Kinder auf der ganzen Welt jederzeit unbeschränkten Zugriff auf Wissen und Bildung haben.
Die Chipkarte ist ein Symbol der alten Welt. Ein Symbol für Bürokratismus und Materialismus. Das Wissen der nächsten Generation ist so viel mehr als ein Verwaltungsakt.

Mein Vorschlag:

Gebt die Milliardensummen für das unsinnige Projekt Chipkarte an private Trägerinitiativen, die in den sozialen Brennpunkten Lern- und Jugendzentren betreiben. Lasst diese Zentren von Bewohnern dieser Brennpunktviertel organisieren und betreiben, nicht, von Caritas, Kolping und Co. die wenig von den Problemen verstehen. Seid mutig und innovativ. Dann können wir auch von der Bildungsvielfalt der Zuwanderergenerationen profitieren.
Dann können Kinder dort selbst entscheiden, wo sie ihre Nachmittage verbringen. Vielleicht wollen einige in einen Leseclub um ihre Sprachkompetenz zu verbessern und sich optimal zu integrieren. Gesellschaftlicher Aufstieg wird zur Wahl!