Das Notizbuch als Kunst

Auszug aus der Pressemitteilung der dOCUMENTA

100 Notizen – 100 Gedanken

Präsentation der dOCUMENTA (13)
Ein Notizbuch ist ein Wagnis.
Es ist reine Spekulation: Kann man das Denken während des Denkprozesses tatsächlich transformieren? Die Notizbücher zeigen uns die Hand, die versucht, anderen Logiken nachzuspüren, die versucht, sich vom bereits Bekannten etwas weiter zu entfernen, um die Distanz zwischen dem Jetzt und der nahen Zukunft zurückzulegen.
…»Ein Notizbuch ist ein Proberaum. Es erlaubt den Worten, den Zeilen und den Zeichnungen, da zu sein, bevor sie wirklich für jedermann existieren und nicht nur für das Selbst. Das Denken ist noch nicht da, das Schreiben ist noch nicht da, die Methode ist noch nicht da, und trotzdem klärt sich langsam alles. Das Notizbuch ist ein Empfänger, weil man es benutzt, um rasch die eigenen Gedanken und die der anderen und auch Bilder festzuhalten.«
…»Die gesamte Serie ist eine Übung in Choreografie, sie erzeugt eine Bewegung zwischen Bedeutung und Verständnis. Damit eine Bewegung sichtbar wird, bedarf sie der Dramatisierung, und aus diesem Grund erklären diese Bild-Texte nichts, sondern bieten uns stattdessen Affekt, Realität, Zeit, Materie, Text, Gedanken, Raum und Zweifel: Wir erfassen eine ›Situation‹. Es ist eine neue Situation, die den aktuellen Status von Text und Kunst, aber auch die der Leserschaft umfasst, den Status des Gedankens ebenso wie die Grenzen des kritischen Denkens; des Lebens ebenso wie der prekären Bedingungen des Persönlichen und des Politischen; den Status des Bildes, aber auch sein Rückzugspotenzial, und den der Individuen, die sich dazu entschließen, ihr ›Leben-in-Form-von-Notizen‹ zu teilen.
…Die Notizbücher thematisieren die Existenz eines dritten Raums, der sich zwischen den Polen des Kreativen und des Erzwungenen öffnet, ein Raum, der der vernünftigen Logik des Zweideutigen im Gegensatz zum Idealistischen trotzt – und womöglich sogar den Naturgesetzen des Marktes im Gegensatz zu einer Praxis, die einen permanenten Zustand des Mehrwerts aufrechterhalten kann.
Zu den Autoren aus so unterschiedlichen Disziplinen wie Kunst, Wissenschaft, Philosophie, Psychologie, Anthropologie, Politologie, Literaturwissenschaft und Poesie gehören u.a. Etel Adnan, Kenneth Goldsmith, Péter György, Emily Jacir, Susan Buck-Morss, Alejandro Jodorowsky, William Kentridge, Peter L. Galison, Erkki Kurenniemi, Lars Bang Larsen, György Lukács, Christoph Menke, Paul Ryan, Ayreen Anastas, Rene Gabri, Vandana Shiva, G. M. Tamás, Michael Taussig, Jalal Toufic, Ian Wallace und Lawrence Weiner.
Die Serie 100 Notizen – 100 Gedanken wurde in Auftrag gegeben von Carolyn Christov-Bakargiev, künstlerische Leiterin der dOCUMENTA (13), gemeinsam mit Chus Martínez, Leiterin der Abteilung sowie Mitglied der Agenten-Kerngruppe, und wird editorisch betreut von Bettina Funcke, Leiterin der Publikationsabteilung. Sie wird an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Gelegenheiten der Öffentlichkeit präsentiert, jeweils begleitet von einer Diskussion über Charakter und Ausrichtung der jeweiligen Publikation. Die Notizbücher können einzeln erworben oder auch als ganze Serie von 100 Notizbüchern über www.hatjecantz.de/documenta13 bestellt werden. Weitere Informationen über die dOCUMENTA (13) und ihre Publikationen auf www.documenta.de.