Welcher Titel wäre wohl besser geeignet, den Apokalypse-Reigen fortzuführen, dessen zeitweilige Unterbrechung durch widrige Umstände im Innenleben unserer IT-Maschinen verursacht wurde, als Edward Morgan Forsters Novelle DIE MASCHINE VERSAGT?
Lassen Sie uns also einen Blick auf eine in Deutschland fast völlig unbekannte, dennoch sehr bedeutende und immer noch aktuelle Zukunftsvisionen werfen, die auch schon über einhundert Jahre auf dem Buckel hat.
Nicht erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts, aber dann umso stärker, begannen sich (mehr als nur) leise Zweifel zu regen, an der unbeirrbaren, optimistischen Fortschrittsgläubigkeit, mit der die große Masse in die Zukunft blickte. Auf dem literarischen Feld war H. G. Wells nach seinen großen Erfolgen zwischen 1895 und 1910 (unter anderem erschienen in dieser Zeit DIE ZEITMASCHINE, AUSBLICKE und KRIEG DER WELTEN) zumindest in England einer der führenden Meinungsmacher.
Dem setzte sich mit Edward Morgan Forster (1879 – 1970) ein noch relativ junger, aufstrebender Autor entgegen, der mit seiner 1909 erstmals veröffentlichten Erzählung THE MACHINE STOPS eine der auch heute noch eindringlichsten Warnutopien der Weltliteratur schrieb. Gedacht war die Geschichte als direkte Antwort auf den rationalen Weltstaat, den Wells 1905 in A MODERN UTOPIA (1905, dt. als JENSEITS DES SIRIUS) so positiv beschrieben hatte.
In der von Forster beschriebenen Zivilisation (die einem unterirdischen Bienenstock gleicht) leben die Menschen einer künftigen Zeit rundum vollversorgt in ihren Wabenzellen. In ihren Kabinen bekommen sie auf Knopfdruck alle lebensnotwendigen Güter und zudem alle vorstellbaren Annehmlichkeiten. Nur noch in absoluten Ausnahmefällen verlassen sie diese Zimmer und persönliche Kontakt zu anderen Menschen werden als störend und unerwünscht angesehen. Über allem wacht eine anonyme „Maschine“, auf die sich alle blind verlassen. Mit zunehmender Dekadenz schleichen sich jedoch Fehler ein. Da Fortschritt nur als Selbstzweck der Maschine erlaubt ist, verliert sich das Wissen der Erbauer, und das ganze System beginnt zu versagen. Als diese Zivilisation schließlich kollabiert – als „die Maschine stoppt“ –, geht die unterirdische Zivilisation widerstandslos unter. Der einzigen Hoffnungsschimmer, den Forster seinen Lesern lässt, kommt von einer an der Oberfläche im Verborgenen existierenden Gruppe von technikfeindlichen „Zivilisationsflüchtlingen“, die vielleicht in der Lage sind, die Fackel weiterzutragen.
E. M. Forsters beklemmende Vision von nur noch Knöpfe drückenden, aber nicht mehr um die Zusammenhänge wissenden Technik-Nutzern, auf die wir uns immer schneller hin entwickeln, bekommt von Tag zu Tag eine größere Aktualität. Der eindrucksvolle Text wurde als Hörspiel und Theaterstück adaptiert und mehrfach verfilmt, u. a. 1966 für das englische Fernsehen.
Herrmann Ibendorf
Für Datenhungrige:
Deutsche Erstausgabe:
Edward Morgan Forster
DIE MASCHINE VERSAGT.
(The Machine Stops / 1909)
Ü: Hermen von Kleeborn.
Wien, Amandus-Edition, 1947, 47 S.
Die Geschichte ist enthalten in dem Sammelband:
Edward Morgan Forster
AUGENBLICK DER EWIGKEIT.
Erzählungen.
München, Nymphenburger, 1989, 263 S.