Panische blonde Mädchen

Während Jim Morrison im musikexpress den 40. Jahrestag seiner Beerdigung begeht, feiert der deutsche Rolling Stone in seiner 201. Ausgabe (Juli 2011) die Auferstehung von BLONDIE indem man dem Heft die neue CD der Band beigepackt hat.

Das umfangreiche „Special“-Thema des neuesten RS-Heftes (das auch in seinen anderen Beiträgen wieder sehr lesenswert ist) beschäftigt sich mit „35 Jahren Punk“ – gleichermaßen der Musik wie dem Lebensentwurf. Und irgendwie erscheint es ganz natürlich, dass ein Bild der jungen Debbie Harry das Cover schmückt.

Wenngleich Bands wie RAMONES, CLASH oder SEX PISTOLS für den Auf- und Ausbruch der Punk-Generation ungleich bedeutender waren, schafften es BLONDIE allein aufgrund der Ausstrahlung ihrer Frontfrau Deborah Harry der ganzen „Bewegung“ ein (vielleicht gar nicht beabsichtigtes, aber bis heute nachwirkendes) „Gesicht“ zu geben. Weltweit konvertierten junge Menschen (vor allem wohl junge Männer) in den 1970ern zu BLONDIE-Adepten und sorgten dafür, dass die Band nach ihrem ersten Nr.1-Hit „Heart of Glass“ (vom 79er-Album „Parallel Lines“) mehr als 40 Millionen Tonträger verkauften.

Schon damals standen BLONDIE musikalisch nicht unbedingt für Erneuerung – ihre Stärke war vielmehr das „Tanzen auf mehreren Hochzeiten“. Eine (immer geringer dosierte) Prise Punk, etwas Reggea, viel Disco, Funk, Electronic – und jede Menge melodische Harry-Songs. Es ist genau diese Mischung, die aus dem neuesten Album „Panic of Girls“ ein überraschend zeitloses, modernes und extrem gut hörbares Stück Musik macht. Und das ist genau so gemeint: Die CD wirkt wie aus einem Guss!

„Panic of Girls“ ist kein One-Hit-Album, das um einen einzelnen guten Song herum gestrickt und auf diesen zu reduzieren ist, sondern es enthält elf fast gleichwertige Songs, die Vergangenheit und Zukunft der Band repräsentieren. Nach Querelen und Problemen in den 80ern, nach Trennung, Krankheit, Entzug und der erfolgreichen Reunion 1999 (von damals stammt das immer noch vielgespielte „Maria“) haben BLONDIE gleichsam eine höhere Ebene ihrer Karriere erreicht – ohne Label-Vertrag haben sie ihr neues Album selbst produziert und promotet, unter anderem eben auch in Form der Beilage zu einem der wichtigsten Musikmagazine der Welt.

Die elf Songs reichen von erstklassigen Easy-Listening-Liedern („Wipe Off My Sweat“) zu Post-Punk-Krachern („D-Day“), über Anleihen an Chansons („Le Bleu“) zu modischen Pop-Balladen („Mother“), von künftigen Radio-Dauerbrennern („The End, the End“) bis hin zu Singer-Songwriter-Titeln („China Shoes“) die auch einer Joni Mitchell oder Carol King gut gestanden hätten.

Debbie Harry wurde soeben 66 Jahre alt – aber der „Mutter“ des Punk (und ihrer Band) merkt man dieses Alter nicht an. Debbie Harry ist immer noch der Inbegriff der „Coolness“!

Herrmann Ibendorf

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