Normalerweise lasse ich mir ja eher vom Rolling Stone neue Platten empfehlen, aber diesmal war die Frankfurter Allgemeine Zeitung schneller: Edo Reents schwärmte so überzeugend von MOJO, der neuen Scheibe von Tom Petty and the Heartbreakers, dass ich einfach zugreifen musste.
Fünfzehn neue Songs (alle von Petty geschrieben, einige in Zusammenarbeit mit Mike Campbell), über eine Stunde Spielzeit – der Mann und seine Band gehen an die Grenzen!
MOJO (erschienen bei der Warner Bros.-Tochtergesellschaft Reprise Records) ist in vielerlei Hinsicht eine „klassische“ Produktion: Tom Petty und seine Heartbreakers waren gemeinsam im Studio und haben die Lieder innerhalb weniger Monate praktisch „live“ aufgenommen (in Zeiten der Globalisierung auch der Musikbranche schon erwähnenswert, da inzwischen Produktionen manchmal Jahre dauern und die einzelnen Beiträge oftmals Solo in rund um den Globus verstreuten Studios eigespielt werden); auf berühmte Gastmusiker wurde komplett verzichtet (und Petty hätte da sicherlich die freie Auswahl gehabt); das „line-up“ der zum Einsatz gekommenen Musikinstrumente treibt dem Kenner Freudentränen in die Augen (eine 1965er Fender Stratocaster gehört schon zum „jüngeren“ Equipment); die Besetzung lässt schnörkellosen Rock erwarten (Gitarren, Bass, Drums, Klavier/Hammondorgel – und hin und wieder eine knarzige Mundharmonika), als „Zubehör“ ein Booklet mit den Texten und ein (natürlich schwarzweißes) Band-Foto (Tom Petty, Mike Campbell, Benmont Tench, Ron Blair, Scott Thurston, Steve Ferrone) wenn man das Cover aufklappt!
Schon beim ersten Durchhören wird einem klar, dass Tom Petty hier so etwas wie eine R’n’R-History vorgelegt hat, ein ganz großes Alterswerk, mit dem er sich endgültig aus dem Schatten von Dylan und Springsteen hinaus geschrieben hat, in dem er zu Unrecht all die Jahre gestanden hat. Was dann beim Dauer-Hören überrascht, ist nicht so sehr, dass die Heartbreakers es als Hardrocker durchaus mit Slayer und Metallica aufnehmen können, sondern wie locker ihnen Blues, Country und (ja, tatsächlich) einmal sogar Reggae-Klänge gelingen.
Dass Tom Petty auch als Songwriter nicht hinter Bruce und Bob zurücksteht, hat er in der Vergangenheit bereits bewiesen, auf MOJO setzt er dies in so grandiosen Lyrics wie denen zu „Running Man’s Bible“, „Let Yourself Go“ und vor allem „Good Enough“ fort. Aber auch die (wiederrum) „klassischen“ Themen Liebe, Enttäuschung, Gott, Teufel, harte Arbeit und der Genuss (verbotener) Süßigkeiten werden thematisiert.
Eine Reise durch die Geschichte (und die Geschichten) der Rockmusik in fünfzehn Songs – einfach klasse, dass es so etwas noch gibt!
Da ist es nun auch kein Wunder mehr, dass der Rolling Stone (Deutschland) in seiner Juli-Ausgabe MOJO zur Platte des Monats macht (Viereinhalb von Fünf Sternen – den Halben gebe ich noch zu).
Herrmann Ibendorf