Mir dämmert da was

Der Niedergang der Bildung, der Ausverkauf der Buchkultur, das Sterben der klassischen Buchhandlungen, der Verfall des Urheberrechts – ja manchmal sogar der „Untergang des Abendlandes“ – werden gerne beschworen, wenn von den rasanten Äderungen die Rede ist, denen „das Buch“ derzeit unterworfen scheint.

 

Da tut es gut, wenn jemand sich einmal die Zeit nimmt und innehält, um sich „das Buch“ und die Gegebenheiten rund um dieses beinahe mystische „Ding“ aus allen Richtungen anzusehen. So geschehen in dem von Detlef Bluhm zusammengestellten Band BÜCHERDÄMMERUNG.

 

Bluhm-Bücherdämmerung

 

Bluhm, selbst im Vorstand des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels tätig, hat gemeinsam mit acht weiteren „Buch-Experten“ in einem Dutzend kurzer Übersichtsartikel Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von Buchherstellung, -vertrieb und –rezeption unter die Lupe genommen und so aufbereitet, dass Leser, Autoren, Händler, Kritiker und alle anderen, die sich beruflich oder aus reiner Liebhaberei mit „dem Buch“ auseinandersetzen (müssen), gleichermaßen informiert wie unterhalten werden.

Betrachtet werden in BÜCHERDÄMMERUNG unter anderem die historischen Wurzeln und die mehr als fünfhundertjährige Geschichte des Buchdrucks, die Entwicklung des Urheberrechts aus dem Wunsch heraus, als Autor von seinen Einfällen leben zu können, die Dienstleistungen, die ein Verlag mit all seinen Mitarbeitern und Abteilungen erbringt, bis der Leser das Objekt seiner Begierde in Händen halten kann, die Rolle, die Vertrieb und Buchhandel in dieser „Verwertungskette“ einnehmen – und wie sich all dies verändert durch die Digitalisierung und die „Entstofflichung“ dessen, was bisher „das Buch“ war.

Einblicke gibt es in die bereits vorhandenen oder gerade eben am Zukunftshorizont auftauchenden neuen Medien wie Internet und E-Book-Reader, DRM und E-Pub sowie die Möglichkeiten und Gefahren, die eine ständig expandierende Soft- und Hardware bieten – und zwar nicht nur für die „klassischen“ Protagonisten, sondern auch für neue „Mitspieler“ wie Statistiker, Hacker, Geheimdienste und was sich im Zusammenhang mit nicht-analogen, nicht-stofflichen, nicht-beherrschbaren „Daten“ noch so alles vorstellen lässt.

Es gehört nicht zu den kleinsten Verdiensten, die sich Bluhm mit diesem schmalen aber inhaltsreichen Werk erworben hat, dass die Beiträge allesamt ausgewogen und unaufgeregt geschrieben sind, dass sie erstklassig recherchiert wirken und ihr Inhalt auf eine Weise vermittelt wird, die man nur gelungen nennen kann. Auch das (Gedanken-)Spielerische kommt nicht zu kurz, gestattet sich Bluhm doch in seinem Beitrag „Der Buchhandel und seine Kunden“ einen kurzen Ausflug und besucht in der Fantasie „(s)eine Buchhandlung im Jahr 2020“.

Bücher haben bisher in unser aller Leben eine gar nicht hoch genug zu schätzende Stellung eingenommen. Diese Stellung verändert sich gerade eben in einer niemals vorhergesehenen und heute noch nicht abzuschätzenden Weise. Bluhm hat mit dem Begriff der BÜCHERDÄMMERUNG eine sehr gut passende Metapher dafür gefunden – steht es doch noch gar nicht fest, ob es sich um eine Abend- oder sogar um eine neue Morgendämmerung handelt.

 

Baikonur 142

 

Herrmann Ibendorf

www.temporamores.de

 

Bibliografisches:

Detlef Bluhm (Herausgeber)

Bücherdämmerung – Über die Zukunft der Buchkultur.

Mit Beiträgen von Detlef Bluhm, Dietmar Dath, Jan Hegemann,

Thomas Macho, Volker Oppmann, Elisabeth Ruge, Stephan Selle,

Klaus Sielker und Katja Spichal

Darmstadt, Lambert Schneider (WBG), 2014, 160 Seiten

ISBN 978-3-650-40003-1 (Buch)

ISBN 978-3-650-73798-4 (eBook – PDF)

ISBN 978-3-650-73799-1 (eBook – epub)